Übersprungshandlungen beim Hund sind Handlungen, die plötzlich und unerwartet auftreten und auch meist für die Situation sehr unpassend sind. Dieses Phänomen gibt es nicht nur im Tierreich, sondern auch bei uns Menschen. Woran Du sie bei Deinem Hund erkennst und wie Du Dich verhalten solltest, erfährst Du in unserem heutigen Beitrag.
Übersprungshandlungen – was ist das genau?
Eine Übersprungshandlung beschreibt das Verhalten, wenn Dein Hund in einer Situation unangemessen, plötzlich und unerwartet agiert. Dieses Verhalten passt nicht zu dem davor und danach gezeigten Verhalten und deswegen werten wir es als unpassend.
Ausgelöst wird dieses Verhalten durch eine Konfliktsituation und die Übersprungshandlungen beim Hund sind nichts anderes als Flucht aus dieser Situation. Daher kommt auch der Name Übersprungshandlung. Denn mit diesem Verhalten versucht Dein Hund, sich aus der unangenehmen Konfliktsituation zu befreien – diese einfach zu überspringen.
Vermutet wird, dass der Hund eine Übersprungshandlung wählt, da er sich nicht zwischen zwei unterschiedlichen Instinkten entscheiden kann – er steht im Konflikt zwischen diesen beiden. Deswegen zeigt er ein Verhalten aus einem dritten Bereich, um diesen Konflikt zu übergehen. Übrigens: Nicht nur Hunde zeigen Übersprungshandlungen. In der ganzen Tierwelt kann man dieses beobachten – und auch bei uns Menschen.
Somit kannst Du eine Handlung als Übersprungshandlung nur dann erkennen, wenn Du den Gesamtzusammenhang bewertest, also auch das Vorher und Nachher einbeziehst.
Beschwichtigungssignale vs. Übersprungshandlungen
Einige nachfolgend genannten Handlungen können sowohl Beschwichtigungssignale, sogenannte Calming Signals, als auch Übersprungshandlungen sein. Bei den Beschwichtigungssignalen kommuniziert Dein Hund mit anderen Hunden. Er versucht, einen Konflikt zu lösen, anstatt diesen zu überspringen.
Kurz gesagt: Übersprungshandlungen dienen zur Selbstbeschwichtigung. Dein Hund versucht, ein für ihn unausgeglichenes Gefühl wieder zu bereinigen. Beschwichtigungssignale dienen zur Kommunikation, also zu der Beschwichtigung anderer Lebewesen.
Es ist nicht immer einfach, beides voneinander zu unterscheiden. Aber mit etwas Übung wirst Du bestimmt den richtigen Weg finden.
Warum zeigen manche Hunde mehr Übersprungshandlungen als andere?
Eine häufig gestellte Frage ist, warum einige Hunde stärkere und ausgeprägtere Übersprungshandlungen zeigen als andere. Dein Hund wird im Laufe seines Lebens stark von vielen verschiedenen Einflüssen geprägt. Hierzu gehört zum einen natürlich die Genetik. Zum anderen aber auch abgeschautes Verhalten in der Präge- und Sozialisierungsphase durch die Mutter oder andere im Gruppenverband lebende Hunde, der Kontakt mit anderen Artgenossen, mit Dir als Besitzer und natürlich seinem generellen Umfeld.
Einige Verhaltensweisen sieht man bei den einen Hunderassen häufiger als bei anderen.
Wie Du siehst, haben viele Faktoren Einfluss auf das Verhalten Deines Hundes und nicht alles kann man durch Training verhindern.
Jeder Hund kann Übersprungshandlungen zeigen – doch welcher Hund passt zu mir? Bei der Beantwortung dieser Frage helfen wir Dir gerne.
Was sind typische Übersprungshandlungen
Vorab: Es gibt sehr viele unterschiedliche Übersprungshandlungen. Alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen springen. Deswegen kann auch keine vollständige Liste erstellt werden – denn eine Übersprungshandlung kann sich von Individuum und Individuum unterscheiden. Wir werden folgenden nur auf die bekanntesten Übersprungshandlungen eingehen. Einige wirst Du wahrscheinlich bisher gar nicht gemerkt haben. Du musst schon sehr genau hinsehen, um jede dieser Handlungen auch als solche zu werten – und selbst dann kannst Du Deinen Hund natürlich nur „vor den Kopf gucken“. Allerdings sei auch dabei gesagt: Jeder Hund hat bevorzugte Übersprungshandlungen. Das macht es Dir die Sache etwas leichter, sie zu erkennen.
Aber es gibt auch einige sehr offensichtliche Übersprungshandlungen. Diese möchten wir als Beispiel nutzen, um Dir das heutige Thema näher zu bringen.
Bellen
Eine sehr häufige Übersprungshandlung bei Hunden ist das Bellen. Natürlich ist nicht jedes Bellen sofort eine Übersprungshandlung – das darfst Du nicht verwechseln. Dennoch wird das Bellen häufig genutzt, um aus Konfliktsituationen heraus zu kommen. Das kann zum Beispiel der Postbote sein, zu dem Dein Hund nicht hindarf. Oder etwas anderes, was der Hund gerade nicht darf. Er fängt aus tiefstem Herzen an zu Bellen und beruhigt sich zeitweise auch nicht mehr. Diese Reaktion scheint als völlig unangemessen und kann somit eine Übersprungshandlung dar stellen.
Kratzen / Lecken
Viele Hunde zeigen als Überprungshandlung auch Fellpflege. Als Beispiel möchte ich Dir gerne folgende Situation beschreiben: Du kommst nach Hause. Dein Hund freut sich überschwänglich. Dein Hund weiß nicht, wohin mit seiner Freude und Dein Hund kratzt sich plötzlich und oder beginnt, sich zu lecken. Übersprungshandlungen können also durchaus auch durch „positivem Stress“ ausgelöst werden. Die überschüssige Energie wird in einem Verhalten gebündelt – in diesem Fall der Fellpflege.
Oder habt Ihr eine Hundebegenung, die anders verläuft als gewöhnlich und Dein Hund kratzt sich plötzlich hinter dem Ohr? Auch dies kann eine Übersprungshandlung sein, um den eigenen Stress abzubauen.
Los rennen / unkontrolliertes Toben
Viele Hunde zeigen als typische Übersprungshandlungen auch das Losrennen bzw. das total unkontrollierte Laufen. Natürlich solltest Du auch hier wieder genau hinschauen: Ist es wirklich eine Übersprungshandlung oder einfach nur reine Bewegungsfreude? Erkennen kannst Du das am besten, wenn Du die Sitatuion vor dem Rennen gesehen hast.
Ich gebe Dir ein Beispiel aus unserem Alltag: Meine Hündin Mira ist bei Hundebegegnungen aufgeregt. Gab ich sie nach der Hundebegegnung frei, preschte sie 20 Meter los – manchmal auch bellend. Dies ist eine sehr deutliche Übersprungshandlung, die völlig unangemessen ist. Sie kehrt sofort um, wenn sie die überflüssige Energie los gelassen hat. Aber dies ist ihre Art und Weise, den Stress für sie wieder in richtige Bahnen zu lenken, um somit ihr Gleichgewicht zurück zu gewinnen.
Sie wollte gerne zu den anderen Hunden, durfte aber nicht. Diese Energie entlud sich in einem absolut unpassenden Verhalten.
Sich Schütteln
Schüttelt sich ein Hund, kann dieses natürlich viele Gründe haben: Er möchte sich das Wasser vom Fell schütteln oder er möchte einen Geruch aufschütteln. Vielleicht schüttelt er nach dem Liegen auch einfach nur sein Fell auf? Aber schüttelt sich Dein Hund, kann das unter gewissen Umständen auch eine Übersprungshandlung sein. Auch in diesem Fall gilt: Betrachte die Situation als ein Ganzes und Du wirst schnell erkennen können, ob es sich hier „nur um ein Schütteln“ oder eine Übersprungshandlung handelt.
Alltägliche Bedürfnisse
Schwieriger wird die Erkennung von Übersprungshandlungen, wenn sie auch Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse ist. Um genau zu erkennen, ob es sich um die Alltagsroutine oder eine Übersprungshandlung handelt, musst Du schon etwas Übung haben.
Um Dir auch hier Beispiele mit auf dem Weg zu geben, möchte ich zum einen das Trinken nennen. Trinkt Dein Hund viel, weil er Durst hat? Oder möchte er sich damit beruhigen und einen inneren Konflikt lösen? Dein Hund trinkt generell viel? Dann solltest Du ihn natürlich von einem Tierarzt untersuchen lassen, da dieses auch auf unzählige Krankheiten beim Hund hinweisen könnte.
Sollte Dein Hund aber eigentlich eine normale Menge trinken und plötzlich, weil Ihr zum Beispiel Besuch habt und er mit der Hektik nicht zurecht kommt, andauernd zum Trinknapf rennen und viel trinken, könnte dieses auf eine Übersprungshandlung hinweisen.
Auch, wenn Dein Hund klaut , Kot frisst oder auf allem rum kaut, kann dieses hierauf hinweisen. Übrigens kann auch das Urinieren zu den Übersprungshandlungen gehören.
Zerstörungswut
Diese Art von Übersprungshandlung zeigen häufig Hunde, die extreme Verlustängste haben oder nie gelernt haben, alleine zu bleiben. Dein Hund möchte Dir hinterher. Das geht natürlich nicht, denn die Türen sind verschlossen. Als Übersprungshandlung zerstört er sein Hundebett, Kissen oder andere Gegenstände. Oder er scharrt an den Türen oder kratzt den Boden kaputt.
unzählige weitere Übersprungshandlungen
Und so könnten wir die Liste immer weiter führen: Aufreiten, Gähnen, aggressives Verhalten, Fixieren, Dein Hund schmatzt – eigentlich alles, was auch ein „normales“ Verhalten dar stellt, kann auch eine Übersprungshandlung sein. Denn kommt Dein Hund in die Situation, eine dieser Handlungen zu zeigen, zeigt er einfach nur eine weitere Handlung aus seinem Repertoire, welches einfach nur jetzt nicht in den Zusammenhang gehört.
Aus dieser Handlung kann auch ein Reflex wie das Rückwärtsniesen oder eine Gewohnheit wie das Schnappen entstehen. Nicht selten kann sowas auch mal zum Wesenstest beim Hund führen.
Mein Hund zeigt Übersprungshandlungen – und nun?
Mit ein bisschen Übung erkennst Du jetzt so nach und nach, wann Dein Hund Übersprungshandlungen zeigt. Du hast gelernt, wie wichtig es ist, Deinen Hund zu beobachten, um sein Verhalten lesen und deuten zu können. Doch wie gehst Du jetzt mit dem erlenten Wissen um?
Ganz vorab: Bitte bestrafe Deinen Hund niemals für eine Übersprungshandlung!
Dein Hund kann in dieser Situation nicht anders reagieren. Stell es Dir vor wie einen Reflex – oder kannst Du die Augen beim Niesen offen halten? Nein, das kannst Du nicht. Möchtest Du dafür bestraft werden, dass Du es einfach nicht kannst?
Mögliche Trainingsansätze bei Übersprungshandlungen
Du hast festgestellt, dass Dein Hund Übersprungshandlungen zeigt und möchtest daran arbeiten? Natürlich kannst Du ihm helfen, aus der Situation raus zu kommen. Aber bewerte vorher erst, ob dieses überhaupt notwendig ist. Ist Dein Hund in der Situation arg gestresst? Zeigt er Übersprungshandlungen, die für ihn, Dich oder andere Artgenossen gefährlich werden können? Schafft er es vielleicht auch, sich selbst aus dieser Übersprungshandlung zu lösen?
Schafft es Dein Hund, sich selbst aus diesem Reflex zu lösen, solltest Du ihn bestätigen. Findet er nämlich selbst einen Weg, gibt dieses Selbstvertrauen und er wird mutiger werden, sein Problem auf gute Art und Weise zu lösen.
Wie Du Deinem Hund helfen kannst
Sollte es Dein Hund nicht von alleine schaffen, selbst einen Weg aus bestimmten Situationen zu finden, darfst Du ihn selbstverständlich unterstützen. Du kannst ihm zum Beispiel eine Aufgabe stellen. Achte hierbei darauf, dass Du nicht zu viel von ihm verlangst, denn gerade jetzt ist es nicht leicht für Deinen Hund, etwas aufzunehmen. Du kannst ihm vielleicht einen kleinen Trick abverlangen oder beispielsweise einen Futterdummy suchen lassen. Ganz wichtig hierbei ist, dass Du gelassen bleibst. Ein hektisches Verhalten Deinerseits würde ein solches Verhalten nur noch mehr verstärken.
Wie oben beschrieben, zeigt meine Hündin extremes Übersprungsverhalten bei der Begegnung mit anderen Hunden. Es fällt ihr häufig schwer, sich alleine aus der Situation zu befreien. Ich lasse sie nicht vorpreschen, so wie sie es gerne tun würde, da ich nicht möchte, dass sich dieses Verhalten festigt. Bietet sie mir von alleine eine Lösung an, wird diese bestätigt. Kann sie es nicht, beschäftige ich sie mit einem einfachen Trick.
Alternativ kannst Du ihm auch Deine Nähe anbieten, wenn er sich bei Dir sicher und geborgen fühlt. Kraule ihn an den Stellen, an denen er es besonders gerne mag, sodass ein Wohlfühleffekt eintritt. Wenn Ihr gerade unterwegs seid, hilft es auch, sich einfach mit dem Hund auf den Boden zu setzen und eine Pause einzulegen, damit Dein Hund sich beruhigen kann.
Tragen eines Maulkorbs
Sollte Dein Hund Aggressionen als Übersprungshandlung zeigen, ist es wichtig, ihn an einen Maulkorb zu gewöhnen. Hiermit schützt Du nicht nur Dich, sondern auch ihn vor unschönen Folgen. Es ist überhaupt nichts schlimmes, wenn ein Hund einen Maulkorb trägt. Bitte lasse Dich von komischen Sprüchen nicht verunsichern.
Übersprungshandlung beim Alleine bleiben
Zerstört Dein Hund die Einrichtung, wenn er alleine bleiben soll oder kratzt wie ein wahnsinniger an der Tür? Dann solltest Du definitiv das Alleinebleiben mit Deinem Hund intensiv üben. Dieses Verhalten ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Dein Hund hat dauerhaft Stress und kann sich nicht alleine aus dieser Situation befreien.
Wir empfehlen Dir, in diesem Fall Rat eines kompetenten Hundetrainers oder Tierverhaltenspsychologen einzuholen. Einige Tipps zum Alleinbleiben-Training geben wir Dir aber trotzdem mit auf den Weg:
- In vielen Fällen hilft es, den Hund bereits sehr früh an eine Hundebox zu gewöhnen. Zum einen kann er hier drin nicht viel kaputt machen, er wird also auch vor sich selbst geschützt. Zum anderen wird er es nach einigem Training als Rückzugsort akzeptieren und bewerten und sich auch von alleine dahin zurückziehen
- Baue das Training langsam in Mini-Schritten auf, jeder Schritt zu viel könnte Euch im Training zurück werfen
- Unterbinde, dass Dein Hund Dir in der Wohnung überall hinterher laufen darf
- Laste Deinen Hund aus, bevor er alleine bleiben muss – dies kann natürlich durch Bewegung geschehen. Bei vielen Hunden ist aber die geistige Auslastung noch wichtiger
Fazit Übersprungshandlungen beim Hund
Wie Du nun siehst: Übersprungshandlungen sind erst einmal nichts schlimmes. Sie gehören im Hundealltag dazu. Bewerte die Handlungen Deines Hundes und entscheide dann, ob Du ihm Helfen musst oder ob das Verhalten annehmbar ist. Wenn Du ihm helfen möchtest / musst, dann achte bitte darauf, ihn nicht zu bestrafen. Bleibe beim Training positiv.
Bist Du überfordert mit dem Verhalten Deines Hundes, suche Dir einen kompetenten Trainer oder Therapeuten, der Euch bei Eurem Problem unterstützt und Dir zeigt, wie Du mit Deinem Hund daran arbeiten kannst. Es ist überhaupt nicht schlimm, auch mal nach Hilfe zu fragen. Denn am Ende möchtest Du doch nur das Beste für Deinen Hund?
Als Tierliebhaber und Tierschützer, ist es mir ein wichtiges Anliegen über artgerechte und gesunde Haltung und Ernährung von Tieren zu schreiben. Ich möchte aufklären und aufzeigen was für Eure Tiere wichtig ist.
Lieber Herr Rosenboom,
sehr herzlichen Dank für die Ausführungen über Übersprungshanlungen.Habe eine Frage:
Wie erreicht man schnell, dass der Hund seinen Wunsch zum Lösen anzeigt?
Unsere 3 bisherigen Hunde (Shelties)setzten sich an die Wohnungs- bzw. Haustür.
Unser derzeitiger Bolonka Zwetna (erst 5 Mon.) tut das nicht. Er wartet, bis wir mit ihm rausgehen (alle 3 bis 4 Std.).
Gehen wir mal nicht – da er ja nichts anzeigt- , verrichtet er sein Geschäft in der Wohnung.
Musste er mal allein bleiben, ist dagegen noch nie ein Malheur passiert.
Für einen Rat wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Angela Urban